Heute nicht nur ein Zitat, sondern eine kleine Zitatsammlung von Karl Julius Weber.
Die Zitate
[D]ie Vernunft lehrt uns, daß Tiere, wenn auch keine Vernunftwesen wie wir, doch empfindende Wesen sind, und daher sollten wir die Vernunft praktisch machen und die Kinder zur Tierliebe förmlich anhalten, die ohnehin schon ohne Arges mit Hündchen und Kätzchen aus einer Schüssel essen.
Der Stolz des Menschleins, der die Tiere nur um seinetwillen geschaffen glaubt, ist so lächerlich als der Wahnsinn des Sohnes der kleinen Erde, sich als den Mittelpunkt der Schöpfung anzusehen, und so lächerlich als der Wahn der Großen, daß der Bürger nur um seinetwillen vorhanden sei, oder der alte Unsinn des Ritters und Edelmanns, zu wähnen, daß er auf dem Bauer reiten dürfe, wenn er seine Pferde verschachert hat. Es ist recht gut, daß die Natur den Tieren die Gabe der Rede verweigert hat, der Mensch wäre doppelter Barbar, wenn das Lamm, Kalb oder Huhn auf der Schlachtbank sprechen könnte: „Mensch, was hab ich mit dir zu schaffen? Was hab ich dir zuleid getan? Kerl, was quälst du mich?“
Man liebt die Tiere desto mehr, je älter man wird, und je mehr man sich überzeugt hat, daß alle Tiere zusammengenommen nicht so boshaft, schlecht und stinkend find als das Menschentier. Ich verdenke es jenen Philosophen des Altertums gar nicht, daß sie sich lieber Zyniker nennen ließen als Philosophen, und bitte alle Pferde um Verzeihung, deren Lenkern ich einst in unbesonnener Jugendhitze zugerufen habe : „Treff die Luder!“
Die Streitfrage, ob Tiere Seelen haben, war wohl eine der allerunphilosophischsten. Hätten die Toren, welche sie debattierten, die Natur beobachtet, so hätten sie sich weit eher darüber wundern müssen, daß die Seelen der Tiere den ihrigen so ähnlich sind, und wenn sie es abscheulich fanden, daß dann und wann ein Löwe, Tiger oder Krokodil sich das Ebenbild Gottes schmecken ließ , so hätten sie bedenken sollen, daß dieses Ebenbild Gottes ja selbst fast alles frißt.
Wir fabelten einst viel von Pflichten gegen Gott, der unserer Pflicht nicht bedarf, und vergaßen darüber die besser angelegten Pflichten gegen uns, gegen unsere Mitmenschen, vorzüglich aber gegen unsere mißhandelten Mitgeschöpfe; denn alle drei wären schwerer zu erfüllen gewesen als die gegen den Unbekannten.
Die Tiere befolgen selbst das schwerste Gebot Jesu: „Liebet eure Feinde,“ sie lieben die Menschen; der halb lahmgeprügelte Esel, der parforcierte Hirsch, das Lamm auf der Schlachtbank, der Hund unter dem Messer des Anatomen, das Pferd auf den blutigen Feldern der Menschenschlachtung sehen ihre Henker mit dem Blicke der Geduld, Wehmut und Freundlichkeit an, der hier verschwendet ist. Tiere verlieben sich sogar in Menschen und sterben, wenn ihre Geliebten sterben, wie wir sichere Zeugnisse von Hunden, Affen und Katzen und selbst von Gänsen haben. Wenn Tiere, wie Orientalen, philosophierten, ob sie wohl Tierseelen in Menschen wandern ließen, wie wir umgekehrt? – Ich zweifle.
Der Ursprung unserer beliebten Fabeln fällt in die Zeit, wo Mensch und Tier weniger getrennt lebten, und dieses Verhältnis wirkte wohltätig auf das Los der Tiere, so daß der Tierfreund wünschen muß, daß diese Verhältnisse, wenn auch Aberglaube sie erfand, noch bestehen möchten, um die Tiere zu schützen gegen die Rohheit der Menschennatur.
Franklin beschränkte sich lange auf Pflanzen, so gerne er Fische aß ; als er aber einst aus einem Hecht eine Menge kleiner Fischchen herausgenommen sah, dachte er: „Könnt ihr einander selbst auffressen, warum nicht wir auch euch?“ Es ist bequem, ein Vernunftwesen zu sein, man findet zu allem, was gelüstet, leicht Gründe.
Karl Julius Weber (1767 - 1832) Quelle: Karl Julius Weber, Demokritos oder Hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen, hrsg. von Karl Martin Schiller, Leipzig 1927, Band 11.
Über den Autor
Karl Julius Weber war ein deutscher Schriftsteller, der heute am ehesten noch als Satiriker bekannt ist. Weber verbrachte bereits seine frühen Jugendtage in einem großen Umfang mit dem Studium unzähliger Bücher aus den unterschiedlichsten Bereichen (z.B. Geschichte und Geographie) und in verschiedenen Sprachen – eine Leidenschaft, die auch seine Gymnasial- und Universitätszeit (Rechtswissenschaft) prägte, sodass Weber schon vor dem Eintritt in die Arbeitswelt, als 23-Jähriger, unter anderem mit der deutschen Philosophie und Dichtung sowie mit den englischen und französischen Klassikern vertraut war. Seine Bibliothek umfasste am Ende beinahe 11.000 Bände, aus denen er stets für seine eigenen Werke schöpfte. Nachdem sich sein Plan, ein akademisches Lehramt wahrzunehmen, nicht verwirklichen ließ, wurde Weber zunächst Privatlehrer und dann Privatsekretär des Grafen Christian von Erbach-Schönberg. Seine damit beginnende Laufbahn im Staatsdienst endete jedoch nach einigen Jahren im Verdruss und führte dazu, dass sich Weber als noch nicht einmal 40-jähriger Mann verdüstert zurückzog und nur nochmal von 1820-1824 das Oberamt Künzelsau im ersten Landtag des Königreiches Württemberg vertrat.
Weber verbrachte die Jahre ab 1804 in Zurückgezogenheit und mit Reisen, sodass er sich dem Verfassen seiner Werke widmen konnte. Es erschienen zwei dreibändige historische Arbeiten, die vierbändigen „Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen“ und schließlich neben einigen kleineren Werken sein berühmtes ‚Hauptwerk‘ „Demokritos oder Hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen“, welches erst posthum vollständig vorgelegt und in 12 Bänden Verbreitung finden konnte. Dieses Werk begründete seinen Ruhm und präsentierte ihn von einer anderen Seite: Weber hatte neben seinen bitteren Zügen eine starke Neigung zum Humorvollen, zum Satirischen. Als Beispiel mag hier die Grabinschrift dienen, die er für sich „für der Mühe wert“ hielt: „Hier ruhen meine Gebeine,/Ich wollt’, es wären deine!“ (Band 12, S. 294.) Irritierenderweise fand Weber trotz des Erfolgs des Demokritos – das Gesamtwerk erschien in dutzenden Auflagen – keine Anerkennung als früher Vertreter des Tierschutzes. Obwohl er sich der Frage nach dem Tier in mehreren Kapiteln umfassend widmete und sich stellenweise verblüffend scharf äußerte, spielt er in den historischen Betrachtungen der Tierschutzbewegung keine Rolle, weswegen er hier nun wohl seine erste umfassende Würdigung erfährt.
Webers Haltung zum Tierschutz und zum Vegetarismus ist von einer auffälligen Widersprüchlichkeit geprägt und steht somit vielleicht durchaus sinnbildlich für eine Zeit, in der die Selbstverständlichkeit, mit der tierliche Interessen unberücksichtigt blieben, zunehmend fragwürdig wurde. Ihm war aufgrund seiner umfassenden Bildung bewusst, dass eine fleischlose Kost auch langfristig gut möglich ist, und meinte, dass sie auf die ‚sanfte Seele‘ einen ungemeinen Reiz ausüben würde, aber der Mensch sei dafür inzwischen bereits zu abgestumpft und da wir unseren Tieren Schutz und Unterschlupf gewähren, sei es uns erlaubt, die Stelle des Raubtieres einzunehmen. Er betrachtete das Töten von Tieren als ein Übel, gab jedoch zu bedenken, dass Tiere keine Vorstellung von Leben und Tod hätten; er sprach sich vehement gegen Tierquälerei aus, rechtfertigte die Kastration von Tieren allerdings damit, dass sie so umgänglicher seien und schneller fett ansetzten. Weber bezeichnete das Jagen als Mordlust – wahrhaft große Menschen hätten sich nie viel aus der Jagd gemacht –, schrieb von Jagdteufeleien und bedauerte, dass auch er eventuell „Blutschuld“ trage, da er nicht wisse, ob er die Kleintiere, auf die er geschossen hatte, getroffen habe, aber er hätte gerne mal eine Walfischjagd gesehen. Usw. usf.
Trotz dieser Widersprüchlichkeiten lassen sich den Kapiteln Überlegungen entnehmen, die bis heute ihre Gültigkeit behalten haben und unerwartet deutlich formuliert sind. Fleischer seien Kollegen des Henkers, wir sollten uns in die Lage unserer Opfer versetzen und uns fragen, ob wir an ihrer Stelle so behandelt werden wollen würden, ‚ausgediente‘ Tiere hätten Anspruch auf fortgesetzte Versorgung, auch wenn sie ihren Nutzen nicht mehr erbringen können, Kinder sollten von Anfang an so erzogen werden, dass sie die Tiere gut behandeln, … Auch wenn Weber offenkundig für sein Leben keine weiteren Konsequenzen aus seinen Überlegungen gezogen hat, lässt sich doch nicht sinnvoll bestreiten, dass seine Zeilen über das Tierelend ein zumindest hin und wieder deutlich aufflammendes Unbehagen verraten, das nicht nur Tierversuche, sondern auch schon unseren Umgang mit Insekten betrifft. Wenn er ausführt, dass er Tieren ein Leben im Jenseits wünscht, weil sie es verdienten, zukünftig seliger zu sein als ihre Quäler, so ist ihm durchaus zu glauben. Weber sprach Tieren sogar einen freien Willen zu.