Christian Wagner, Sonntagsgänge

Tierethik & Veganismus · April 30, 2021

Das Zitat

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Findest du am Weg ein hilflos Wesen,
Nimms in Pflege, bis es ist genesen.

Werden die Thiere dir am Weg begegnen,
Auf die Hände heben, sie zu segnen,
Speise sollst du immer bei dir haben,
Schmachtende und Hungernde zu laben.

Keine Mühe sollst du jemals scheuen
Vögel und Gefangne zu befreien;
Keine Kost auf dem Markt zu wandeln,
Junge zu den Müttern rückzuhandeln.

Christian Wagner (1835-1918)

Quelle: Christian Wagner, Sonntagsgänge [Erster Theil], Stuttgart 1887, S. 32.

Erläuterungen:

Christian Wagner war ein deutscher Schriftsteller, Dichter und Kleinbauer, dessen Werk und Leben wohl zu den rührendsten, großartigsten Erscheinungen des Tierschutzes des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts gehören. Obwohl er keine höhere Schulbildung genossen hatte, vollbrachte er das kleine Wunder, zu einem bekannten, von berühmten Schriftstellern geförderten Dichter zu werden.

Er erhielt von der Deutschen Schillerstiftung eine jährliche Einkunft, Hermann Hesse förderte ihn durch die persönliche Herausgabe einer Auswahl seiner Werke, Kurt Tucholsky schätzte ihn, der Frauenbund zur Ehrung rheinländischer Dichter würdigte ihn mit einem Preisgeld von 2000 Mark usw. usf. Diese Förderung konnte Christian Wagner, der Dichter der Schonung alles Lebendigen, auch dringend gebrauchen, denn obgleich er äußerst sparsam und bescheiden lebte, hatte er nicht geringe Kosten zu übernehmen: Wagners Tierschonung führte ihn dazu, seinen bescheidenen Bauernhof als ein, wie er es nannte, „Thierasyl“ zu führen.

Er war, modern ausgedrückt, ein Betreiber eines frühen Gnaden- bzw. Lebenshofes, der auch nicht davor zurückschreckte, in seinen Werken immer und immer wieder die Stimme für die Tiere zu erheben. Trotz seiner relativen Armut kaufte er Tiere frei, um sie vor dem sicheren Tod zu bewahren, er verzichtete darauf, Ernteschädlinge wie Mäuse zu bekämpfen, er nahm heimlich die Kätzchen der Nachbarn auf, die getötet werden sollten, die Trennung von Mutterkuh und Kalb war ihm zuwider, usw. Während er in frühen Jahren noch seine Tiere schlachten ließ (sicher auch teils aus blanker Geldnot), wurde er später ein Vertreter des ethisch begründeten Fleischverzichts.

Christian Wagner nimmt insofern in der Geschichte des deutschen Tierschutzes eine Sonderstellung ein, scheint aber bislang in dieser Hinsicht noch keine gesonderte Würdigung Erfahrung zu haben, obgleich er in Zitatesammlungen zu finden ist. Vielleicht bleibt irgendwann mal die Zeit dafür, sie selbst mit einer Unterbringung aller relevanten Zitate zu erstellen. Zumindest die Zitate werden aber hier umfassend vorgestellt.

Christian Wagner

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